Eigenverantwortliche Mitarbeiter, vertrauensvolle Führungskraft
Eine von den Mitarbeitern wahrgenommene Entwicklung und Leistungsunterstützung seitens des Führungspersonals in herausfordernden Zeiten wirkten zudem nachhaltig begünstigend auf die Wertschöpfung. Vor allem, wenn persönlicher Kontakt vor Ort nicht oder nur eingeschränkt möglich sei, sollten die Mitarbeiter zugunsten ihrer Leistungsmotivation spüren können, dass sie noch Teil eines Teams seien. Diese psychischen Ressourcen beeinflussten in Organisationen die konstruktive Handhabung von Krisen enorm. Das Optimum sind Lothar Grünewald zufolge gute Mitarbeiter, die in die Eigenverantwortung gehen wollen, und eine Führungskraft, die Verantwortung abgeben kann. Diese Art Gewaltenteilung im Organisationsdesign beschreibt Holger Schlichting von Praxisfeld so: „Arbeitsstrukturen sollten so gestaltet sein, dass sich nicht nur der Chef mit allem auseinandersetzt, sondern dass auch die Mitarbeiter mitentscheiden und Spaß an ihren Projekten haben.“ Unerlässlich dafür: eine gesunde Fehlerkultur. „Ein Schritt in diese Richtung wäre, alle zwei Wochen nach dem Scrum-Prinzip in einem Meeting Erfolge, Schiffbruch und die jeweiligen Ursachen dafür zu betrachten.“ Auf diese Weise vermeide man, Projekte monatelang in die falsche Richtung zu steuern und nehme sich gleichzeitig die wichtige Zeit, um über aktuelle Entwicklungen nachzudenken und sie einzuordnen. „So kann man jederzeit steuernd eingreifen.“
Dynamisch denken, dynamisch handeln
Ohne gedankliche Kreativität funktioniert ein solches Modell jedoch nicht, stellt Holger Bramsiepe von der Future Design Akademie fest. Der Mensch habe gelernt, mit Plan A als einziger Option zu arbeiten, zum Beispiel in Form einer konkreten Umsatzzahl. „Wenn ein Ereignis Plan A vereitelt, gibt es maximal einen Plan B – als Notplan. Die Kunst ist aber, sich grundsätzlich Alternativen parat zu halten und Plan B sowie alle weiteren als gleichwertig zu akzeptieren.“ Es gehe also darum, eine andere, nachhaltige Wertebasis zu formen und Kreisläufe zu gestalten. „So entwickle ich mein Geschäft nicht auf Risikobasis, sondern baue eine gewisse Sicherheit in Richtung Zukunft auf.“ Ein pragmatischer Ansatz, um dynamischer zu denken und zu handeln, ist Zukunftsforscher Kofler zufolge, als gemeinsame kollaborative Kraft Weitsicht zu integrieren. „Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, aber lernen, mit dem Material umzugehen, das uns hilft, ein Übermorgen zu erträumen und so auch in schlechten Zeiten ein positives Leitbild zu schaffen“, sagt Bramsiepe. „Heute sind Probleme das Beste, das uns passieren kann, denn sie stellen immer einen gesellschaftlichen, technischen oder politischen Widerspruch in sich selbst dar“, schildert Kofler. „Und wir kommen nur weiter, indem wir diesen Widerspruch lösen. Wir haben immer die Möglichkeit, Dinge in eine andere Richtung zu drehen.“
Kein Zurück – eine ganze Stadt wird resilient
In Kreisläufen zu denken, ist mit Blick auf Resilienz nicht nur für Organisationen, sondern auch für ökologische Systeme ausschlaggebend. Dr. Carolin Baedeker, stellvertretende Leiterin der Abteilung „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren“ sowie Co-Leiterin des „Forschungsbereichs Innovationslabore“ am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, schrieb noch unter der Leitung des ehemaligen wissenschaftlichen Geschäftsführers Prof. Uwe Schneidewind mit weiteren Autoren am Diskussionspaper „,Näher‘ – ,Öffentlicher‘ – ,Agiler‘: Eckpfeiler einer resilienten Post-Corona-Stadt“. „Ein einfaches Zurück in den Vor-Krisenmodus wird es kaum geben. Jetzt geht es darum, die Konturen einer krisen-resilienten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu entwerfen, die nicht nur in der Lage sind, mit künftigen Pandemien, sondern auch mit den weiteren großen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umzugehen“, heißt es in der Einleitung. „Wir erleben neben der sozialen auch eine wirtschaftliche Zeitenwende“, sagt Baedeker. „Plötzlich unterbrochene globale Lieferketten haben uns bewusst gemacht, wie wichtig die regionale Verfügbarkeit von Produkten sowie lokale Wirtschaftskreisläufe sind. Beides darf einander nicht ausschließen.“
Langlebigkeit von Materialien fördern
Manuel Bickel, Researcher beim Wuppertal Institut im Forschungsbereich Produkt- und Konsumsysteme, nennt Beispiele für Ansätze, regionales mit globalem Wirtschaften sinnvoll und nachhaltig zusammenzuführen. Im Projekt „Circle of Tools“ (Werkzeugkreislauf), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, teste man zusammen mit bergischen Firmen, inwieweit sich Materialien und Werkstoffe ausgedienter Maschinenelemente aus der metallverarbeitenden Werkzeug- und Schneidwarenindustrie in kleineren Werkzeugen weiterverarbeiten lassen könnten, um Material- und Wirtschaftskreisläufe so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. „Ist zum Beispiel die Klinge eines Kreismessers stumpf geworden, wurde sie bisher direkt ins Stahlrecycling überführt. Bei unserer Idee würden Rücknahmesysteme geschaffen, um das Kreismesser in kleinere Werkstücke zu zerschneiden und diese direkt als Werkstoff für die Herstellung anderer Werkzeuge nutzen zu können“, erklärt Bickel. Ein zweites Projekt ist „Regionales Ressourcenmanagement“ aus dem Projektcluster „Urbane Produktion“ der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Das Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für Entwicklung (EFRE) und des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Darin untersuchen Wuppertal Institut, Bergische Uni und die FGW Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe e. V. das Potenzial wirtschaftsübergreifender Kooperationen. Konkret geht es derzeit ebenfalls darum, Restmaterialien aus der metallverarbeitenden Industrie zu nutzen, um neue Produkte herstellen zu können. Bickel: „Resilienz braucht neben dem Blick nach innen auch den nach außen. Schaffen wir langfristig Kooperationen und Innovationsnetzwerke, können wir Ideen austauschen und bleiben langfristig wettbewerbsfähig. Die Unternehmen stärken ihr Kerngeschäft und geben Impulse nach außen ab, nehmen von dort aber auch andere Innovationsimpulse auf.“
Fokus auf Lösungen
Berater Lothar Grünewald kann der Corona-Krise bei allem bereits erlittenen und noch zu erwartendem Schaden demnach durchaus auch etwas Positives abgewinnen: „Die Pandemie hat einen Zustand ausgelöst, in dem wir uns intensiver und lösungsorientierter mit Problemen auseinandersetzen. Das kann Prozesse beschleunigen und ist ein wichtiger Impuls für eine zügigere Transformation. Jetzt haben wir die Chance, notwendige Änderungen konsequent umzusetzen.“ Mit einer Hands-on-Mentalität, der Fähigkeit zur Reflexion, einer lebensbejahenden Einstellung, Neugierde, innerem Abstand als Fähigkeit zur Distanzierung und Abstrahierung, mit Entscheidungs-, Handlungs- und Veränderungsbereitschaft – sowie Flexibilität.
Text: Tonia Sorrentino
Fotos: Süleyman Kayaalp